von Uwe Blass
Was macht guten Unterricht aus? Seit mehr als 40 Jahren beschäftigt sich Bildungswissenschaftlerin Prof. Dr. Petra Buchwald *) vom Institut für Bildungsforschung der Bergischen Universität mit dieser Frage. In der aktuellen Transfergeschichte berichtet sie unter anderem darüber, wie man angehende Lehrkräfte bestmöglich auf den Beruf vorbereitet, spricht über Themen wie Schulangst und Lehrer*innengesundheit und betont den besonderen Erziehungsauftrag von Schulen.
Schulpädagogik soll mit nützlichen Methoden den Lernprozess der Schülerinnen und Schüler für den Schulerfolg bestmöglich unterstützen. Ziel ist es, den Studierenden das erforderliche theoretische und empirische Basiswissen sowie konkrete, praxisnahe Handlungsanweisungen für verschiedene Episoden des Unterrichts zu vermitteln. Dabei gehe es dann darum, welche Sequenzen in Bezug auf die Unterrichtshandlungen man herausgreife, um angehenden Lehrkräften zu zeigen, welche Theorien es gibt, die in gewissen Unterrichtssituationen helfen, bestimmte Probleme zu lösen. „Das ist auf der einen Seite die Lehrer-Schüler-Interaktion oder so etwas wie Classroom-Management, also wie gestalte ich meine Lernumgebung. Das ist aber auch Know-how über pädagogische Psychologie, denn ich muss wissen, wie Schülerpersönlichkeiten ausgestattet sind. All das spielt in meinen Unterricht rein, und ich lerne, wie ich als Lehrperson damit umgehen kann.“
Ein zentrales Arbeitsfeld der Schulpädagogik betrifft schulische Belastungen mit dem Fokus Stressbewältigung. „Stresssituationen haben wir ja überall auf der Welt im Leben und natürlich auch in der Schule“, sagt Buchwald. „Für mich ist das ein wesentlicher Teil und auch mein Hauptforschungsfeld. Im Zuge meiner Karriere habe ich in jedwede Richtung geforscht. Z. B. zum Thema Lehrergesundheit. Was bedeuten Burn-out-Krisen für Lehrpersonen, oder was bedeutet Schulangst und Prüfungsangst für Lernende. All das sind stressige Momente im Schulkontext, und damit habe ich mich intensiv beschäftigt.“
Viele Eltern gehen davon aus, dass Schule keinen Erziehungsauftrag übernimmt, aber außerschulische Probleme lösen oftmals Stress aus, mit dem die Lehrkräfte dann umgehen müssen. Wie können angehende Lehrer*innen darauf vorbereitet werden? „Ich würde da erst einmal widersprechen, denn, dass Schule tatsächlich nicht den Erziehungsauftrag übernimmt, ist völlig falsch“, stellt Buchwald unmissverständlich klar: „Diese Aufgabe ist von der Kultusministerkonferenz schon in den 1970er Jahren glasklar formuliert worden. Schule hat zur Aufgabe: unterrichten, erziehen, beraten und beurteilen, und mittlerweile wird auch das Innovieren genannt.“
Das habe auch mit den sich entwickelnden Ganztagsschulen zu tun. Die Fachfrau diskutiert das Thema "Erziehung" auch immer wieder mit ihren Studierenden. „Wir wollen mittlerweile im Zuge der Emanzipation, dass Mann und Frau arbeiten gehen können, also ist Erziehung ganz klar auch ein Auftrag von Schule. Das ist es seit eh und je so gewesen und kann im Zuge von Ganztagsschulen auch stärker realisiert werden. Natürlich haben die Eltern immer noch ihre Erziehungshoheit, logisch, aber, wenn wir Erziehung in der Schule ausblenden würden, wäre das eine ganz schlechte Idee.“ Sicher gebe es Lehrpersonen, die sich damit überfordert fühlten, aber was ein Lehrberuf verlange, sei eben auch immens viel. „Ich habe eine jüngere Generation, die in meine Obhut gegeben ist. Ich muss ihr jede Menge Dinge beibringen, angefangen bei den Kulturtechniken lesen, schreiben, rechnen, aber auch anständiges Benehmen, selbstbestimmtes, reflektiertes Handeln genauso wie die Bedeutung von Chemie, Physik oder Sozialkunde. Das ist viel, aber ich glaube, den Erziehungsauftrag darf Schule nie aufgeben.“
Was bedeutet individuelle Förderung überhaupt?
Auf der einen Seite leidet Deutschland unter akutem Lehrermangel, auf der anderen Seite sollen Kinder aber individuell gefördert werden. Das ist für Buchwald kein Widerspruch, denn individuelle Förderung bedeute, dass Kinder dort abgeholt würden, wo sie stehen. „Menschen sind mit so einem Konzept am Anfang vielleicht überfordert und wissen nicht genau, was mit 'individueller Förderung' gemeint ist.“ Im Laufe der Jahre hätten sich zudem die Lernparadigmen verändert. „Irgendwann stellte man im Zuge der wissenschaftlichen Lehr-Lern-Forschung auch fest, dass es nicht sinnvoll ist, allen Menschen genau das gleiche Lernangebot zu machen, wie wir das z. B. im Frontalunterricht tun“, erklärt die Pädagogin. „Von diesen Unterrichtskonzepten sind wir mittlerweile völlig weg.“ Man ziehe nun offene Unterrichtssituationen vor und werfe dazu auch wieder einen ganz neuen Blick auf die Montessori-Pädagogik. Buchwald nennt dazu ein eingängiges Beispiel. „Wir machen im ersten und zweiten Schuljahr zumeist jahrgangsübergreifenden Unterricht, damit die, die ältere Geschwister haben und im ersten Schuljahr schon rechnen und schreiben können, sich nicht langweilen und die, die das noch nicht können, davon profitieren. Auf der anderen Seite gibt es Kinder im zweiten Schuljahr, die vielleicht etwas überfordert sind. Die können auch noch Unterrichtsinhalte vom ersten Schuljahr aufnehmen. Das ist individuelle Förderung. Ich gehe individuell auf den Lernstand der Schüler*innen ein, und das machen wir an ganz vielen Stellen mit veränderten Strukturen und innovativen Unterrichtsmethoden.“